Schweißverfahren in der Aluminium-Verarbeitung

von Prof. Emil Schubert verfasst am 31.03.2023 04:15:00
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E-Autos, Hybridfahrzeuge, moderne Transportsysteme für den Güterverkehr – der Elektromobilität gehört die Zukunft. Mehr Funktionen in den Produkten bedeutet mehr Elektronik und das wiederum auch mehr Gewicht für die Konstruktionen. Demgegenüber stehen die gesetzlichen Vorschriften zur Emissionsminderung, die sich oft nur durch Gewichtsreduzierung einhalten bzw. erfüllen lassen. Eine Lösung bietet der Einsatz von leichtgewichtigen Materialien für Konstruktionen moderner Transportsysteme, wie beispielsweise Aluminium. Doch Aluminium ist eine kleine »Diva«. Man braucht ganz bestimmte Voraussetzungen und Schweißausrüstung, um Aluminiumlegierungen fachgerecht zu schweißen. Prozesssicherheit steht bei der Aluminium-Verarbeitung ganz vorne.

Aluminiumlegierungen sind aufgrund ihrer geringen Dichte und hohen Festigkeit die am häufigsten verwendeten Leichtmetalle. Vor allem im Fahrzeugbau und Anlagenbau. Die Verarbeitung von Aluminium wird jedoch durch dessen physikalische Eigenschaften erschwert.

Mit der richtigen Materialvorbereitung und der passenden Schweißausrüstung lässt sich Aluminium gut schweißen. In diesem Artikel dreht sich alles um:

  • das Potenzial, das hinter Aluminium als Werkstoff steckt
  • die geeigneten Schweißverfahren in der Aluminium-Verarbeitung
  • die Herausforderungen bei der Verarbeitung
  • Lösungsansätze für mehr Prozesssicherheit
  • und ein Blick in die Zukunft von Aluminium bzw. Aluminiumlegierungen

Aluminium: Das große Potenzial

In unserem Alltag finden wir Aluminium überall. Seine Vielfältigkeit und Langlebigkeit macht Aluminium zu einem festen Bestandteil von zum Beispiel Fenstern, Türen, Dach- und Wandsystemen, Geländern, Photovoltaikanlagen, Fassaden sowie Tragkonstruktionen. Auch in Wärmetauschern, Solar- und Windenergieanlagen sowie dem gesamten Baubereich findet Aluminium seine Anwendung, um nur wenige zu nennen. Ein stark wachsender Sektor ist die Transport- und Verkehrsbranche. Dort werden Aluminiumlegierungen in Wärmetauschern, Rädern, Motoren, Motorhauben sowie in der Karosserie eingesetzt.

Aluminium gehört zu den unedlen Metallen und ist nur selten in seiner Reinform zu finden. Reinaluminium verfügt nur über eine geringe Festigkeit. Um jedoch die gewünschte Festigkeit für den Leichtmetallbau wie beispielsweise den Fahrzeugbau zu erhalten, benötigt Aluminium zusätzlich Legierungsbestandteile. Hohe Festigkeiten von Aluminium (Al) werden durch den Einsatz von Zink (Zn), Magnesium (Mg) und Kupfer (Cu) erreicht. Mittlere Festigkeiten erreicht man mit Mangan (Mn) und Silizium (Si) als Legierungselemente.

Gegenüber Eisen (Fe) hat Aluminium eine geringere Dichte, eine höhere Wärmekapazität sowie eine höhere Wärmeleitfähigkeit:

2_Tabelle_Eigenschaften_Fe_Al_800x177Ihre geringe Dichte und hohe Festigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht machen Aluminiumlegierungen zu einem interessanten Qualitäts-Werkstoff für viele Branchen. Die Verarbeitung von Aluminium wie zum Beispiel durch Schweißen erfordert jedoch umfangreiche Prozesskenntnisse.

Herausforderungen beim Schweißen von Aluminium

Wenn Sie selbst schon einmal Aluminium manuell geschweißt haben, erinnern Sie sich sicher an Ihren ersten Versuch. Vielleicht war Ihre Schweißnaht durchzogen mit Poren oder Rissen oder in Ihrem Blech prangte ein Loch.

Die Ursachen hierfür liegen in:

  • den unterschiedlichen Schmelzpunkten von Aluminium und Aluminiumoxid
  • der hohen Löslichkeit von Wasserstoff in flüssigem Aluminium und der geringen Löslichkeit des Wasserstoffs in festem Aluminium

Aluminium-Verarbeitung

Bei der Verarbeitung von Aluminium sind Kenntnisse zur Werkstoffkunde Grundvoraussetzung.

Eine Eigenschaft von Aluminium ist, dass dieses Metall bei Kontakt mit Sauerstoff sofort eine Aluminiumoxidschicht bildet. Aluminiumoxid besitzt mit 2050 °C eine viel höhere Schmelztemperatur als Aluminium mit 660 °C. Diese Eigenschaft führt zu Problemen mit der Energiekopplung und instabilen Schweißprozessen: Der Lichtbogen koppelt Energie in das Material ein. Das Aluminium-Grundmaterial unterhalb der Oxydschicht ist bereits flüssig, während die Oxydschicht immer noch fest ist. Die Oxydschicht bricht dann vereinzelt auf und schwimmt als kleine »Inseln« auf dem flüssigen Aluminium. Dies führt dazu, dass der Lichtbogenansatz teilweise hin und her springt.

Die hohe Löslichkeit von Wasserstoff in Flüssigkeit und die geringe Löslichkeit in festem Wasserstoff führen zu Porenbildung und Heißrissen: Während des Schweißprozesses wird vorhandener Wasserstoff (z. B. aus verschmutzten Oberflächen) im flüssigen Aluminium gelöst. Sobald das Schweißbad erstarrt, sinkt die Löslichkeit des Wasserstoffs stark ab. Dies führt dazu, dass der Wasserstoff ausgeschieden wird und sich zu Poren und Porennestern sprichwörtlich zusammenballt.

Darüber hinaus muss durch die hohe Leitfähigkeit von Aluminium beim Schweißen ein hoher Wärmeeintrag erzeugt werden, der wiederum die verwendete Schweißausrüstung stark belastet.

Hierfür gibt es die folgenden Lösungen:

Schweißvorbereitung von Aluminium

Eine gute Vorbereitung ist auch für das Schweißen von Aluminium bereits die halbe Miete. Essenziell ist, dass alle Aluminiumkomponenten wie auch die verwendeten Zusatzwerkstoffe absolut sauber und trocken sind. Bauteile und Schweißdraht sollten daher auch so kurz wie möglich vor der Verwendung gelagert werden, um Oxidwachstum zu verhindern.

Im Automobilbau erhalten Aluminiumbleche sogar spezielle Beschichtungen, die das unkontrollierte Wachstum von Oxiden verhindern. In der Luft- und Raumfahrt werden Aluminiumbleche vor dem Schweißen sogar mit Säure gewaschen. In anderen Branchen setzt man die mechanische Reinigung durch Bürsten ein, um die Oxidschicht zu entfernen. Um den Sauerstoffgehalt zu senken, empfehlen sich größere Drahtdurchmesser für den Schweißzusatz, wodurch die Oberfläche minimiert wird.

Schweißverfahren und Schweißausrüstung

Aluminium lässt sich mit allen gängigen thermischen Schweißverfahren bearbeiten. Diese sind:

Die ersten Schweißungen von Aluminium wurden im WIG-Verfahren ausgeführt. Dabei wird im Wechselstromverfahren mit der positiven Halbwelle die Oxidschicht »gesprengt« bzw. abgetragen und mit der negativen Halbwelle der Einbrand erreicht.

3_Prinzip_WIG-Schweissen_800x458Verfahrensprinzip und Einbrandverhältnisse beim WIG-Schweißen

4_Aluminium_WIG_800x325WIG-Schweißen von Aluminiumblechen in der Nahaufnahme

Die unterschiedlichen Wege zum Entfernen bzw. Aufbrechen der Oxidschicht bei Aluminium werden im Artikel »So schweißt man Aluminium richtig« genauer beschrieben.

Dickere Bleche aus Aluminium können auch mit Plasmaschweißen bearbeitet werden. Das funktioniert sowohl mit Gleichstrom als auch mit Wechselstrom. Im Vergleich zum WIG-Schweißen erreicht man mit dem Plasmaschweißen höhere Schweißgeschwindigkeiten. Ein weiterer Vorteil ist die noch bessere Oberflächenqualität der Schweißnaht.

5_Prinzip_Plasmaschweissen_800x818Prinzip des Plasmaschweißens

Neben dem Plasmaschweißen kann man auch mit dem MIG-Schweißen eine höhere Schweißgeschwindigkeit erreichen. Der Grund: Beim MIG-Schweißen ist die Metall-Abschmelzrate höher als beim WIG-Schweißen. Ist die Geschwindigkeit allerdings zu hoch, besteht die Möglichkeit, dass Wasserstoff im flüssigen Metall vor dem Erstarren nicht entweichen kann. Die Folge ist Porenbildung und somit eine geminderte Qualität des Produkts.

Für das Schweißen von dünnen Blechen werden auch Impulsschweißen, Wechselstromschweißen und modifizierte Kurzlichtbogenprozesse eingesetzt.

6_Prinzip_MIG-Schweissen_800x845Prinzip des MIG-Schweißverfahrens mit doppeltem Kühlkreislauf

Aufgrund des hohen Wärmeeintrags, der auch durch Reflexionen an der Werkstückoberfläche entsteht, sind Schweißbrenner mit doppeltem Kühlkreislauf sehr zu empfehlen. Sie kühlen den Brenner zusätzlich und sorgen auch bei den Verschleißteilen für eine längere Standzeit.

7_Schweisswurzel_800x537Beispiele für das Dünnblechschweißen von AlMg-Legierungen mit Wechselstrom im MIG-Verfahren

 

7_788_0047_1_ABIMIG_W_T_Action_02_800x491Manuelles MIG-Schweißen

Da der Aluminiumdraht als Zusatzwerkstoff sehr empfindlich ist, sind Drahtfördersysteme wichtig, die möglichst wenig Reibung erzeugen und für einen gleichmäßigen Drahtvorschub sorgen. Gleiches gilt für Schweißdrähte aus anderen Materialien, die sich umso schwieriger fördern lassen, je dünner sie sind. Das Master-Feeder-System MFS-V3.1 von ABICOR BINZEL ist ein solches System, denn es garantiert eine gleichmäßige und konstante Drahtführung sowohl beim Schutzgasschweißen als auch beim Laserfügen.

8_MFS-V3_Collage_2018_800x304Das komplette Master-Feeder-Systems MFS-V3.1 für Laserschweißen und Laserlöten

Das modulare Master-Feeder-System MFS-V3.1. besitzt als Kernkomponenten zwei exakt aufeinander abgestimmte Drahtvorschübe. Dieses Drahtfördersystem fördert Drähte unterschiedlicher Materialien. Sein Einsatzgebiet umfasst die Schweißverfahren MIG, WIG, Plasma und Laser.

Laserschweißen ist insbesondere im Automobilbau ein nicht mehr wegzudenkendes Verfahren, denn hier zählen Geschwindigkeit und Präzision. Im MIG-Laser-Hybrid-Verfahren werden Laser- und Lichtbogen-Schweißprozess kombiniert. Das bedeutet, ein fokussierter Laserstrahl trifft gleichzeitig mit dem Lichtbogen aus dem MIG-Schweißprozess auf die zu schweißende Naht. Dieses Verfahren ist ein sehr stabiles Verfahren, das eine hohe Abschmelzleistung und einen hohen thermischen Wirkungsgrad erzeugt.

9_Prinzip_Hybrid-Schweissen_800x516Verfahrensprinzip MIG-Laser-Hybrid

Hat Aluminium eine Zukunft?

Allein in der Automobilindustrie ist der Bedarf an Aluminium stetig steigend. Aluminium löst im Fahrzeugbau die allseitige Forderung nach Gewichtsreduzierung mit gleichzeitiger Effizienzsteigerung. So sollen laut Medienberichten zum Beispiel bei Volvo und Tesla für die nächste Generation an Elektrofahrzeugen komplette Karosseriebestandteile im Aluminiumdruckgussverfahren hergestellt werden.

10_Diagramm_Aluminiummenge_800x466Einsatz von Aluminium in Fahrzeugkarosserien bis 2030 (Quelle: Statista)

Die Aluminium-Verarbeitung stellt einige Herausforderungen beim Schweißen dar. Mit Prozesskenntnissen, einer guten Schweißnahtvorbereitung und dem Einsatz geeigneter Ausrüstung wie beispielsweise Schweißbrenner, Drahtvorschub und Schweißroboter, lässt sich dieser Werkstoff allerdings gut bewältigen. Aluminiumlegierungen bieten ein enormes Potenzial für den Leichtbau.

Wenn Sie mehr zum Aluminium-Schweißen erfahren möchten, ist der Artikel »So schweißt man Aluminium richtig« sehr empfehlenswert. Kommen Sie gerne auch mit Ihren Fragen auf mich zu, wenn Sie mehr zu den unterschiedlichen Schweißverfahren wissen möchten.

Happy Welding!

Themen: Basiswissen