Schweißen mit einem Roboter – die 5 häufigsten Fehler

von Manfred Seipp verfasst am 29.01.2021 12:36:14

Stundenlang den Schweißroboter programmiert. Die geraden Bahnen funktionieren Eins-A, beim Bogenschweißen stimmt alles hinten und vorne nicht – was ist passiert? Der Industrieroboter ist synchronisiert, das Bauteil ist eingespannt und trotzdem wird die Schweißnaht falsch gesetzt – wo ist der Fehler? Am ersten Tag zig Bauteile einwandfrei geschweißt, am nächsten Tag ist die Naht verlagert – wie konnte es dazu kommen?

Schweißen mit einem Roboter ist genauso effizient wie schwierig – egal für welches Schweißverfahren in der Industrie. Hier müssen von Grund auf wesentliche Dinge beachtet werden, damit für Ihr Unternehmen keine wertvolle Zeit verloren geht, denn das wirkt sich letzten Endes schmerzhaft auf die Qualität, die Ausbringungsmenge und natürlich auch auf die Kosten aus. Das Schweißen mit einem Roboter erfordert viel Wissen und eine Menge Erfahrung. Doch genauso grundlegend gehört auch das eigene Interesse dazu, um Lösungen für Herausforderungen und Probleme zu finden und die Vorteile eines Schweißroboters in der Schweißtechnik voll auszuschöpfen.

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Hier haben wir Ihnen die 5 häufigsten Fehler beim Schweißen mit einem Roboter zusammengestellt – und natürlich auch Tipps zur Vorbeugung bzw. Behebung dieser Fehler.

1. Tool Center Point (TCP) ist nicht eingestellt

TCP? Man mag es kaum für möglich halten, aber es gibt in der Industrie tatsächlich Roboteranwender, die sich beim Programmieren ihres Schweißroboters nicht mit dem TCP auseinandersetzen. Stattdessen wird da geteacht, was das Zeug hält – und dann ist die Verwunderung groß, wenn zwar die geraden Bahnen gut geschweißt sind, beim Fahren von Rundungen oder Kreisen dann aber gar nichts mehr passt. Den Tool Center Point einstellen ist Teil des Roboter Synchronisierens und gehört zu den Grundvoraussetzungen, wenn alle Bahnen ordentlich geschweißt werden sollen.

Der TCP wird auf einer Spitze bzw. einem Punkt eingestellt. Von diesem aus werden mittels einer Ebene mindestens die drei Achsen X, Y und Z kalibriert. Beim Wechsel der Brennerposition in diese Achsen muss der TCP immer gleich bleiben. Noch genauer wird der TCP, wenn acht oder mehr Punkte für die Kalibrierung verwendet werden – je nach Robotertyp werden unterschiedlich viele Kalibrierpunkte verwendet. Der Roboterschweißbrenner wird diese Einstellung immer beibehalten, selbst wenn die Arbeitsfläche wie bei einem Dreh-Kipptisch seitlich wegklappt. Von diesem Punkt aus also rechnet die Steuereinheit des Roboters dann im Hintergrund den TCP zum Roboter, zum Tisch oder zu einem Dreh-Kipptisch und kann daraufhin selbst Kreise einwandfrei schweißen. Vorausgesetzt natürlich, das Bauteil selbst hat keine zu großen Bauteiltoleranzen. Wie man ständigen Bauteiltoleranzen entgegenwirken kann, lesen Sie in Punkt 3.

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2. Kein Kollisionsschutz am Roboter

Es kann immer mal wieder vorkommen, dass der Schweißroboter beim schnellen Fahren irgendwo kollidiert und der Brennerhals in Mitleidenschaft gezogen wird, also deformiert sein kann. Steht der Schweißbrenner an seinem vorderen Ende dann beispielsweise 10 mm zur Seite weg, sind auch alle Schweißbahnen um 10 mm versetzt, wenn man den Schaden nicht gleich bemerkt. Aus diesem Grund sollte bei jedem Roboter ein Kollisionsschutz vorhanden sein, also eine Abschaltsicherung im Fall eines Crashs. Der Roboter kommt dann sofort zum Stehen. Durch die Auslenkung der Abschaltsicherung wird der Schweißbrenner auch nicht beschädigt und über die Rückstellgenauigkeit bewegt sich der Brenner wieder zu dem ursprünglichen TCP zurück. Somit wird das komplette Schweißequipment geschützt.

Ohne einen solchen Kollisionsschutz, der zwischen Roboterarm und Schweißbrenner sitzt, muss man ansonsten immer wieder einmal einen deformierten Brenner richten und neu zum Roboter einmessen, also auch den TCP neu einstellen. Letzteres ist dagegen sicherlich kein Spaß, denn in der Regel sind möglicherweise 10, 50 oder 100 Programme auf diesen einen Tool Center Point eingestellt. Im schlimmsten Fall bedeutet das, einen neuen Brenner einsetzen und ebenfalls neu einrichten zu müssen. Wiederholgenauigkeit ist also ein ganz großes Thema beim Schweißen mit einem Roboter. Die Vorteile einer automatischen Abschaltung im Falle einer Kollision zahlen sich also direkt aus.

3. Spannvorrichtung oder Bauteil sind fehlerhaft

Bei jedem Bauteil und jedem Verfahren muss die Spannvorrichtung so genau sein, dass die zu schweißenden Bauteile immer wieder genau positioniert sind und zwar so, wie es dem Roboter angelernt wurde. Hier kann es zu fehlerhaften Schweißungen kommen, wenn die Spannvorrichtung nicht korrekt ist oder auch wenn ein Bauteil Toleranzen aufweist. Ein synchronisierter Roboter kann nur dann ordentlich schweißen, wenn die Spannvorrichtung funktioniert, die zu schweißenden Bauteile keine zu großen Bauteiltoleranzen aufweisen und das gesamte Umfeld – sprich der TCP mit all seinen Messungen – passt. Gibt es hier Abweichungen, entstehen Schweißfehler.

Durch einen optischen Nahtführungssensor, der den Verlauf der zu schweißenden Naht erkennt, werden diese Toleranzen oder Bauteilveränderungen während des Schweißprozesses direkt korrigiert. Dies stellt damit einen großen Vorteil dar, weil Sie hier direkt Kosten einsparen: Weniger Fehlteile bedeutet einen schnelleren Return on Invest als möglicherweise ursprünglich gedacht. Eine solche Anschaffung lohnt sich also auf jeden Fall, wenn man möglichst wenig Ausschuss produzieren möchte.

Außerdem besteht noch die Möglichkeit, die Nahtverfolgung mit einem Lichtbogensensor durchzuführen. Der Vorteil darin besteht, dass die Bahnen im Lichtbogen korrigiert werden können, indem Spannungsunterschiede (oder Stromunterschiede) verarbeitet werden. Der Nachteil dessen ist die Pendelbewegung bei dieser Technik.

4. Beim Brennerwechsel nicht aufgepasst

Irgendwann muss selbst der robusteste Schweißbrenner einmal ausgetauscht werden. Mit jedem neuen Brennerhals im Prozess besteht damit wiederum die Möglichkeit, dass dieser nicht zu 100 Prozent passt. Bevor ein neuer Brennerkopf eingesetzt wird, muss er also überprüft werden.

Ein Brennerhalswechselsystem mit mehreren Brennerhälsen in einer Drehkassette leistet für das Roboterschweißen sehr gute Dienste. Der Vorteil: Alle Brennerhälse werden vor dem Einsetzen in das Wechselsystem auf einer Lehre ausgerichtet, um sicherzustellen, dass jeder einzelne ganz genau passt. Ist z. B. eine Stromdüse verschlissen, nimmt der Roboter selbstständig den nächsten aus dem Brennerhalswechselsystem und kann direkt weiterschweißen. Die gebrauchten Brennerhälse können entnommen, gereinigt, mit neuen Verschleißteilen ausgerüstet und wieder in das Wechselsystem eingesetzt werden. Ein solches System verkürzt die Stillstandzeit einer Roboteranlage auf ein Minimum und sorgt immer für den entsprechenden Nachschub an passenden Brennerhälsen. Beispiele hierfür finden Sie hier.

Jetzt hat nicht jeder solch ein Brennerhals-Wechselsystem. Wenn Sie manuell einen Brennerhals in Ihrer Schweißzelle austauschen wollen, müssen Sie unbedingt darauf achten, dass der neue Brennerhals denselben Winkel und dieselbe Länge hat. Nur dann kann der eingestellte TCP gewährleistet werden.

5. Keine geschulte Fachkraft beim Roboterschweißen

Wer sich beruflich mit dem Schweißen mit einem Roboter in der Produktion beschäftigt, muss auf jeden Fall eine geschulte Fachkraft sein. Das mag wie eine simple Grundvoraussetzung klingen, doch zeigt die Realität leider viel zu oft ein anderes Bild. Nur wer sich gerne mit Robotik beschäftigt und mit voller Leidenschaft seinen Beruf ausübt, dem gelingt auch der unbedingt benötigte Blick über den Tellerrand. Es genügt also nicht, einen Schweißer auf einen Roboterlehrgang zu schicken und ihn erst viele Monate später bei Bedarf mit dem Programmieren eines Roboters zu beauftragen. Dann ist nämlich die Gefahr groß, dass grundlegende Dinge wie das Einstellen des TCPs und das Synchronisieren aller wesentlichen Bestandteile nicht mehr in Erinnerung sind.

Es ist also ratsam, die Weiterbildungsprogramme und Schulungsangebote der Roboterhersteller oder des DVS – Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren – aktiv zu nutzen und den betreffenden Mitarbeitern auch die Zeit dafür zur Verfügung zu stellen. Das gewonnene Know-how kann gleich aktiv in die Praxis umgesetzt werden und zahlt sich in Zeiteinsparungen beim Umgang mit dem Schweißroboter auf jeden Fall aus.Programming

Manchmal muss man in der Produktion durch Fehler erst einmal schmerzlich lernen. Jeder, der zum ersten Mal einen Schweißroboter programmiert hat, kann sicherlich ein Lied davon singen. Wir hoffen, dass Ihnen dieser Blog hilfreiche Tipps geben konnte, sodass Ihnen bei der Herstellung Ihrer Produkte das ein oder andere von Beginn an leichter fällt. Wenn Sie spezielle Fragen zu Aufgabenstellungen für das Schweißen mit einem Roboter haben, fragen Sie uns gerne.

Happy Welding!

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Themen: Roboterschweißen